Der Vizepräsident der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten, Gösta Toft, spricht im Interview mit dem „Nordschleswiger“ über den Rechtsruck in Europa, das Problem der Grenzbarrieren und die Herausforderungen in der europäischen Minderheitenpolitik.
„Ich bin immer pro Europa gewesen, seit ich wählen durfte. Das war bei der Wahl 1972 zum Beitritt Dänemarks zur Europäischen Gemeinschaft EWG“, sagt Gösta Toft. Das Erstarken rechter Kräfte, mehr Grenzkontrollen und die schwierige Lage bei den Minderheitenrechten treiben den früheren Generalsekretär der Schleswigschen Partei (SP) und aktuellen Vizepräsidenten der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) weiterhin um.
Toft sieht Schengen in Gefahr
Für den 73-Jährigen ist die freie Beweglichkeit innerhalb der EU ein großes Gut. „Das wird jetzt gerade extrem eingeschränkt – an allen Grenzen gibt es mehr oder weniger permanente Grenzkontrollen. Schengen spielt keine Rolle mehr.“ Das sei bedenklich, sagt Toft. „Damit nimmt man sich einen wichtigen Stützpfeiler.“
Von den 1970er-Jahren bis 2015 sei es in die richtige Richtung gegangen, sagt der Apenrader. Er selbst habe sich immer mit dem Thema Arbeitskräftemobilität befasst, denn im Grenzland habe es schon immer Pendlerinnen und Pendler zwischen Dänemark und Deutschland gegeben.
Schon in den 1990er-Jahren habe er Grenzpendler-Treffen durchgeführt. „Ohne die SP und die Grenzpendlervereine würde es auch heute noch kein Infocenter für Grenzpendler und Unternehmen geben“, ist Toft überzeugt. Da habe seine Partei großen Einfluss ausgeübt.
Mit der Zeit habe die SP dann den Anschluss verloren und sei sogar vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) überholt worden, der heute europäischer sei als die SP. „Da müssen wir schon aufpassen, denn die EU wird in den aktuellen Zeiten unheimlich an Einfluss gewinnen und da müssen wir ein Teil sein.“
Abbau von Grenzbarrieren
Am Ende gehe es auch immer um die Abschaffung von Grenzbarrieren. „Das bleibt eine dauernde Herausforderung für uns“, so Toft. Daher sei es zu begrüßen, dass die Zusammenarbeit mit dem SSW in dem Bereich in den vergangenen Jahren immer weiter zugenommen habe. Zusammen stehe man stärker da.
„Wir haben gemeinsam mit dem SSW darauf hingewirkt, dass die permanenten Kontrollen an der Grenze reduziert werden. Bei der letzten Änderung haben wir das mit Sekt gefeiert. Einige haben dann gesagt, es werde sich ja nichts ändern. Aber wer täglich über die Grenze fährt, der wird seit der Zeit auch bemerkt haben, dass die grüne Lampe häufiger leuchtet.“
Es gehe aber nicht nur um diesen einen Effekt für die Grenzregion, sondern auch um wirtschaftliche Aspekte. „Das wird oft vergessen bei diesen Grenzkontrollen.“ Die negativen Auswirkungen werde die EU langfristig spüren, wenn Pfeiler wie die freie Mobilität wegbrechen.
In der Zielsetzung im EU-Vertrag steht, dass die Minderheiten berücksichtigt werden sollen. Aber es wird nichts dafür getan.
Gösta Toft
Viel Arbeit für mehr Minderheitenrechte
Ein anderer Punkt ist für Toft die Minderheitenpolitik in der EU. Die Kommission lehnt seit mittlerweile zehn Jahren die „Minority Safe Pack“-Initiative ab. Dahinter steckten die einzelnen Staaten der EU, sagt FUEN-Vize Toft. „Hier müssen wir noch unheimlich viel Arbeit leisten, damit sich das ändert.“
„In der Zielsetzung im EU-Vertrag steht, dass die Minderheiten berücksichtigt werden sollen. Aber es wird nichts dafür getan“, kritisiert Toft. Er sei daher persönlich sehr froh, dass Europas Minderheiten es trotz aller Widrigkeiten geschafft haben, nach der Europawahl im vergangenen Jahr eine neue Intergroup (ein inoffizieller Zusammenschluss von Parlamentsmitgliedern mit ähnlichen Interessensgebieten, Anm. d. Red.) im EU-Parlament zu bilden und dass FUEN-Präsident Loránt Vincze Vorsitzender dieser Gruppe geworden ist. „Das ist ein Riesensprung nach vorne.“
Ich bin Pro-Europäer, aber weiß Gott nicht ohne Kritik.
Gösta Toft
Denn während die deutsch-dänische Grenzregion oft als Vorbild für das Zusammenleben genannt wird, sieht es andernorts in Europa kritischer aus. „Es gibt viele Beispiele in Europa, wo die Rechte der Minderheiten mit Füßen getreten werden, also ich nenne nur mal Frankreich und Griechenland“, sagt der FUEN-Vize. Es sei ein richtig weiter Weg zu gehen. „Ich bin Pro-Europäer, aber weiß Gott nicht ohne Kritik.“
Rechten Kräften entgegentreten
Der Rechtsruck in Europa besorgt Gösta Toft ebenfalls. Die Demokratie sichert etwa, dass jede und jeder Einzelne frei entscheiden kann und ohne Angst Teil einer Minderheit sein kann. „Daher muss man den Bestrebungen entgegentreten, etwa die Presse- oder Versammlungsfreiheit einzugrenzen oder die Minderheitenrechte zu beschränken, die ein verlängerter Arm der Menschenrechte sind.“
Und weiter: „Wenn du das nicht hast, dann kannst du dich auch nicht frei entscheiden. Das muss man immer im Hinterkopf haben.“
Dennoch mahnt Toft, man müsse zwar immer dialogbereit bleiben, gleichzeitig müsse man extreme Kräfte aber auch nicht fördern. Das fange im Kleinen an. „Der Entwicklung muss Einhalt geboten werden, das gilt von der Kommunal- bis zur Europapolitik.“